Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS TEUTSCH
Buch 1
Einleitung
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Der abenteuerliche Simplicissimus
Ganz neu eingerichteter allenthalben viel verbesserter
Abenteurlicher Simplicius Simplicissimus
Das ist:
Ausführliche, unerdichtete und recht memorable Lebensbeschreibung
Eines einfältigen, wunderlichen und seltsamen Vaganten, namens Melchior Sternfels von Fuchshaim, wie, wo, wann, auch welcher Gestalt er nämlich in diese Welt gekommen, wie er sich darinnen verhalten, was er Merk- und Denkwürdiges gesehen, gelernet, gepraktizieret und hin und wieder mit vielfältiger Leibs- und Lebensgefahr ausgestanden, auch warum er endlich solche wiederum freiwillig und ungezwungen verlassen habe. Annehmlich, erfreulich und lustig zu lesen,
Wie auch sehr nützlich und nachdenklich zu betrachten.
Es hat mir so wollen behagen,
Mit Lachen die Wahrheit zu sagen.
Wohlgemeinte Vorerinnerung
An die großgünstige Leser.
[5] Hochgeehrte, geneigte und sehr werte liebe Landsleute!
Hiermit erscheinet meine neue, ganz umbgegoßne, mit schönen von mir, meinem Knän, Meuder, Ursele und Sohn Simplicio inventierten Kupferstücken ausgezierte, Lust erweckende und sehr nachdenkliche Lebensbeschreibung, worzu mich ein kühner und recht verwegner Nachdrucker veranlasset, indem er meinem Herrn Verleger seine höchstruhmwürdige Mühe und Unkosten, Fleiß und Arbeit, die er in erster Einrichtung und annehmlicher Vorstellung dieses meines ihme allein mitgeteilten Werkleins und den daraus erhobenen geringfügigen Gewinn, weiß nicht, ob aus selbsteignem neidischen Herzen oder, wie ich eher darvorhalte, aus tollkühner Anreizung etlicher Mißgönner verwegnerweis sich unterstanden, aus den Händen zu reißen und ganz unrechtmäßig ihme selbst zuzueignen. Welches frevelhaftige Beginnen mir, als ichs vernommen, so sehr zu Herzen gegangen, daß ich darüber in eine höchst gefährliche Krankheit geraten, von welcher ich bis auf diese Stunde noch nicht genesen kann. Nichtsdestoweniger habe ich meinem geliebten Sohn Simplicio anbefohlen, anstatt meiner ein Traktätchen zu verfertigen und solches euch, hochwerten Landsleuten, mit ehisten zuzuschicken, auch euer Judicium darüber zu vernehmen, dessen Titul also lautet:
Derer in frembde Ämter greifenden Frevler rechtmäßige Nägelbeschneidung.
Hoffe, solch Werklein werde ihnen nicht unangenehm sein, weil darinnen solche arcana enthalten, welche vortreffliche Mittel an die Hand geben, das Seinige in höchster Zufriedenheit und angenehmster Sicherheit zu besitzen. Indessen lasset euch diese Edition meiner Lebensbeschreibung, darbei meines Verlegers Nam [5] befindlich, vor andern lieb sein; dann die andern Exemplarien, da das Widerspiel befindlich, werde ich, so wahr ich Simplicissimus heiße, nicht vor meine Geburt erkennen, sondern, weil ich Atem hole, anzufeinden, und wo ichs sehe, aus selben Scharmutzel zu machen, auch dem Nachspicker eine Kopie darvon zu übersenden nicht unterlassen. Im übrigen kann ich auch nicht unangedeutet lassen, daß mein Verleger meinen Ewigwährenden Kalender vor kurz verwichner Zeit mit großer Müh und Unkosten auch zu Ende gebracht, ingleichem noch viele annehmliche Traktätel, als das Schwarz und Weiß oder Satirische Pilgram, die Landstörzerin Courage, den Abenteurlichen Springinsfeld, Keuschen Joseph samt seinem getreuen Diener Musai, und die anmutige Liebs- und Leidsbeschreibung Dietwalds und Amelinden samt den zween-köpfigten Ratio Status ans Tagesliecht gebracht, dabei auch künftig in einem kleinen Jahrbuch oder Kalender in Quarto die Continuatio meiner wunderlichen Begebnüs, so ich und mein junger Simpli. leben werden, folgen soll, nun euch, geliebten Landsleuten, dardurch einigen Gefallen zu erzeigen. Sollte sich ein zutäppischer und frembdes Gut begehrender Langfinger gleichfalls finden, selbigen nachzuspicken und nachzuformen, soll ihmer gewiß ein solches Bad oder Vergeltung zugerichtet werden, daß er sein Lebtag an Simplicissimum gedenken soll. Dies bitte ich, ihr Herren Landsleut, wollet, wo ihr euch befindet, nicht ungeahntet lassen. Diene euch hinwiederum, wo ich kann und weiß, und verbleibe
Euer
Stets beharrlich dienender
Simplicius Simplicissimus. [6]
Quelle: Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o. J. [1921], S. 5-8. Lizenz: Gemeinfrei.
Einleitung
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Der abenteuerliche Simplicissimus
Ganz neu eingerichteter allenthalben viel verbesserter
Abenteurlicher Simplicius Simplicissimus
Das ist:
Ausführliche, unerdichtete und recht memorable Lebensbeschreibung
Eines einfältigen, wunderlichen und seltsamen Vaganten, namens Melchior Sternfels von Fuchshaim, wie, wo, wann, auch welcher Gestalt er nämlich in diese Welt gekommen, wie er sich darinnen verhalten, was er Merk- und Denkwürdiges gesehen, gelernet, gepraktizieret und hin und wieder mit vielfältiger Leibs- und Lebensgefahr ausgestanden, auch warum er endlich solche wiederum freiwillig und ungezwungen verlassen habe. Annehmlich, erfreulich und lustig zu lesen,
Wie auch sehr nützlich und nachdenklich zu betrachten.
Es hat mir so wollen behagen,
Mit Lachen die Wahrheit zu sagen.
Wohlgemeinte Vorerinnerung
An die großgünstige Leser.
[5] Hochgeehrte, geneigte und sehr werte liebe Landsleute!
Hiermit erscheinet meine neue, ganz umbgegoßne, mit schönen von mir, meinem Knän, Meuder, Ursele und Sohn Simplicio inventierten Kupferstücken ausgezierte, Lust erweckende und sehr nachdenkliche Lebensbeschreibung, worzu mich ein kühner und recht verwegner Nachdrucker veranlasset, indem er meinem Herrn Verleger seine höchstruhmwürdige Mühe und Unkosten, Fleiß und Arbeit, die er in erster Einrichtung und annehmlicher Vorstellung dieses meines ihme allein mitgeteilten Werkleins und den daraus erhobenen geringfügigen Gewinn, weiß nicht, ob aus selbsteignem neidischen Herzen oder, wie ich eher darvorhalte, aus tollkühner Anreizung etlicher Mißgönner verwegnerweis sich unterstanden, aus den Händen zu reißen und ganz unrechtmäßig ihme selbst zuzueignen. Welches frevelhaftige Beginnen mir, als ichs vernommen, so sehr zu Herzen gegangen, daß ich darüber in eine höchst gefährliche Krankheit geraten, von welcher ich bis auf diese Stunde noch nicht genesen kann. Nichtsdestoweniger habe ich meinem geliebten Sohn Simplicio anbefohlen, anstatt meiner ein Traktätchen zu verfertigen und solches euch, hochwerten Landsleuten, mit ehisten zuzuschicken, auch euer Judicium darüber zu vernehmen, dessen Titul also lautet:
Derer in frembde Ämter greifenden Frevler rechtmäßige Nägelbeschneidung.
Hoffe, solch Werklein werde ihnen nicht unangenehm sein, weil darinnen solche arcana enthalten, welche vortreffliche Mittel an die Hand geben, das Seinige in höchster Zufriedenheit und angenehmster Sicherheit zu besitzen. Indessen lasset euch diese Edition meiner Lebensbeschreibung, darbei meines Verlegers Nam [5] befindlich, vor andern lieb sein; dann die andern Exemplarien, da das Widerspiel befindlich, werde ich, so wahr ich Simplicissimus heiße, nicht vor meine Geburt erkennen, sondern, weil ich Atem hole, anzufeinden, und wo ichs sehe, aus selben Scharmutzel zu machen, auch dem Nachspicker eine Kopie darvon zu übersenden nicht unterlassen. Im übrigen kann ich auch nicht unangedeutet lassen, daß mein Verleger meinen Ewigwährenden Kalender vor kurz verwichner Zeit mit großer Müh und Unkosten auch zu Ende gebracht, ingleichem noch viele annehmliche Traktätel, als das Schwarz und Weiß oder Satirische Pilgram, die Landstörzerin Courage, den Abenteurlichen Springinsfeld, Keuschen Joseph samt seinem getreuen Diener Musai, und die anmutige Liebs- und Leidsbeschreibung Dietwalds und Amelinden samt den zween-köpfigten Ratio Status ans Tagesliecht gebracht, dabei auch künftig in einem kleinen Jahrbuch oder Kalender in Quarto die Continuatio meiner wunderlichen Begebnüs, so ich und mein junger Simpli. leben werden, folgen soll, nun euch, geliebten Landsleuten, dardurch einigen Gefallen zu erzeigen. Sollte sich ein zutäppischer und frembdes Gut begehrender Langfinger gleichfalls finden, selbigen nachzuspicken und nachzuformen, soll ihmer gewiß ein solches Bad oder Vergeltung zugerichtet werden, daß er sein Lebtag an Simplicissimum gedenken soll. Dies bitte ich, ihr Herren Landsleut, wollet, wo ihr euch befindet, nicht ungeahntet lassen. Diene euch hinwiederum, wo ich kann und weiß, und verbleibe
Euer
Stets beharrlich dienender
Simplicius Simplicissimus. [6]
Quelle: Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o. J. [1921], S. 5-8. Lizenz: Gemeinfrei.
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